Weimar auf dem Bitterfelder Holzweg

Fritz von Klinggräf in TLZ, 19.6.2002
 

Warum das Neue Museum leer bleibt

 
Praller Sonnenschein und blauer Himmel über dem Wimaria-Stadion: ideale Ausgangsbedingungen für Wettkämpfe aller Art - die vereinzelten Sportsfreunde aber staunten nicht schlecht über ein Kunstwerk, das sich Montagabend vor ihnen auf dem grünen Rasen ausbreitete. Rotes Gestühl und Blumen auf brokatweißen Tischdecken: Das Wimaria-Stadion schien in Manets »Frühstück im Freien« versetzt.
Es war die Kunst höchstselbst, die ins Wimaria-Stadion lud. Der Anlass war ernst. Ging es doch um nichts weniger, als um die Zukunft von Weimars Neuem Museum und um den Streit zwischen den Kunstsammlungen und der Künstlergruppe »Kunst-Basis«, der seit dem 12. Mai köchelt. An diesem Tag eröffnete im Neuen Musem eine kleine Ausstellung mit großem Anspruch: Entstaubung der Sammlung Maenz und eine Öffnung des Neuen Museums für neue Besucherströme war Ziel der Ausstellung »Katzengold«.
Die Gruppe um den Weimarer Künstler Wolfram Höhne wollte die alte Kunst mit eigenen Werken kommentieren: Ein Fallschirmspringer über Anselm Kiefers Bleiflugzeug, eine riesige Fliege auf dem roten Sofa von Pippilotti Rist. Doch den Kunstsammlungen war die Sache zu heiß. »Katzengold« blieb eine Ausstellung in Kisten (noch bis 23.Juni im Keller des Hauses).
Die Künstler aber gaben nicht auf, luden gemeinsam mit Radio Lotte zum großen Palaver ins Wimaria-Stadion.
»Darf ich fragen, worum es hier eigentlich geht?« lautete dann auch ratlos die erste Frage von den Besucherrängen. »Um Sie, um Sie alle, um die potentiellen Besucher des Neuen Museums«. so die kämpferische Antwort Andreas Paeslacks (Kunst-Basis), der dafür eintrat, dass künftig auch das Weimarer Publikum über Ausstellungen mitentscheidet. Diesen Kampf ums Publikum aber hatte schon eingangs Ulrike Bestgen als Pressesprecherin der Kunstsammlungen den Zahn gezogen. Zwar seien die Besucherzahlen des Neuen Museums von 59000 im Gründungsjahr 2001 drastisch gesunken - aber selbst diese rund 50 Besucher am Tage fand Bestgen noch ganz ordentlich für ein Museum, das für die Region geschaffen worden sei.
Qualität messe sich nicht an Besucherzahlen befand Frank Motz über die Stadionlautsprecher und der Künstler Walter Sachs wähnte die revoltierenden Künstler mit ihrer Kunstauffassung für Werktätige erneut auf dem Bitterfelder Weg. Soweit wollte Achim Preiß zwar nicht gehen, aber auch der Bauhaus-Professor zweifelte an der Möglichkeit, die Grabkammer Museum durch junge Kunst zum Leben zu erwecken. Während die Kuratorin der Kunstsammlungen, Silke Feldhoff, und Frank Motz (ACC) für eine frische und kompakte Verbindung zwischen den Weimarer Kunstsammlungen und anderen Ausstellungsformen plädierten, setzte Achim Preiß statt dessen auf historische Vermittlung: Die Zukunft von Museen liegt nicht mehr in der Repräsentation sondern in der Bildung - das kann ruhig auch mal historische Bildung sein.
Die Diskussion um das Neue Museum hat noch nicht begonnen. Und welche Rolle junge Kunst im Neuen Museum noch spielen wird, hängt nicht nur von der Zukunft der Einhorn-Reihe Feldhoffs ab. Die nämlich wird ab 2003 unter einem neuen Direktor neu verhandelt: Und der ist nicht nur für das Neue Museum, sondern auch für die Touristenströme im Goethehaus zuständig.