Das Rothenburger Wandbild als Modellprojekt

Olaf Berger, Jens Herrmann, Wolfram Höhne, Andreas Paeslack über das Wandbild "Was in den Sternen steht" (im Rahmen eines Kunst am Bau- Projektes für die Fachhochschule für Polizei Rothenburg)
 
Die Richtlinie K7 für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum des Freistaates Sachsen sieht es vor, bildende Künstler an öffentlichen Bauvorhaben zu beteiligen. Nicht gesichert ist dabei die Identifikation der zukünftigen Nutzer mit der entstandenen künstlerischen Arbeit. Im Fall des Rothenburger-Projekts haben die Künstler Wolfram Höhne und Andreas Paeslack den Vertretern der Fachhochschule für Polizei eine kooperative Erarbeitung des künstlerischen Beitrags angeboten. Meine Erfahrungen in den Auswahlgremien für Kunst am Bau-Projekte haben gezeigt, dass die diskursive Auseinandersetzung um die Gestaltung öffentlicher Lebensräume eine Seltenheit geblieben ist. Deshalb liegt mir daran, im besonderen Maße das Engagement des Rektors der Fachhochschule, Herrn Dr. Thewes, zu würdigen, der aktiv von seinem Mitspracherecht als Nutzer Gebrauch machte. Herr Dr. Thewes benannte als möglichen Arbeitsgegenstand die Suche nach einer künstlerischen Form für die öffentliche Darstellung der Leitlinien der Sächsischen Polizei. Diese Beteiligung steht im Gegensatz zur Praxis des bloßen Empfehlens oder dem Dominieren klischeehafter Geschmacksurteile, wie sie mir in den meisten Vergabeverfahren begegnet ist. Das Ergebnis der gemeinsamen Auseinandersetzung ist ein Wandbild im Foyer der Fachhochschule, auf dem die Leitlinien für Zusammenarbeit und Führung der Polizei Sachsen vor dem Hintergrund einer kosmischen Szenerie dargestellt sind. Diese Kooperation ist als ein Modellfall anzusehen, dem es gelungen ist, ein hohes Maß an Identität zwischen den Nutzern der Einrichtung und der von den Künstlern geleisteten Gestaltungsarbeit herzustellen. Dieses Modell wird getragen von einem künstlerischen Selbstverständnis, das nachvollziehbar gesellschaftliche Situationen und Prozesse mitformuliert, sowie deren Relevanz unter Beweis stellt. Es sollte fester Bestandteil der kulturellen Praxis werden.
 
Jens Herrmann, Künstler
 
Den Nutzer einbeziehen - eine Zukunftsperspektive für Kunst am Bau - Projekte
 
Das deutsche Kunst am Bau- Programm ist seit seinem Bestehen eine widersprüchliche Angelegenheit gewesen. Gefordert hatte die Kunst am Bau-Regelung eine größtenteils verarmte Künstlerschaft, deren öffentliche Betätigungsfelder dahin geschwunden waren. Schließlich kam es erst 1937 zu einer gesetzlichen Verankerung durch Goebbels Reichskulturkammer. In einem Kongomerat aus Standarten, Reichsadlern und ähnlichem Gebäudeschmuck entstand noch einmal eine Coverversion historischer Architekturformen mit aufwendigen Bauplastiken. Die moderne Architektur der Nachkriegszeit schien keines Gebäudeschmucks zu bedürfen, wodurch einer der klassischen Aufgaben architekturbezogener Kunst wegbrach: die Visualisierung der Identität des Gebäudes, die es dem Passanten erlaubt, schon im flüchtigen Vorbeigehen aus dem Bauschmuck auf die Funktion des Baukörpers zu schließen. Während im Osten des geteilten Deutschlands die öffentliche Kunst im staatlichen Auftrag entweder zur Werbefläche für die herrschende Ideologie wurde oder einfachen dekorativen Aufgaben nachging, trat im Westen verstärkt der Konflikt zwischen den autonomen Produktionen des Künstlermilieus und einer verschreckten Bürgerschaft zu Tage. Aus diesem Konflikt entstanden etwa in den achtziger Jahren neue künstlerische Produktionsformen für den öffentlichen Raum, die versuchten, das kulturelle Interessengeflechts öffentlicher Situationen in ihre Arbeit zu integrieren. Aus der Reflexion ortsspezifischer Gegebenheiten entstanden so Identifikationsmöglichkeiten für das Publikum, die den selbstbezogenen Atelierarbeiten oftmals fehlten. Erstaunlicherweise ist dieser plausible Ansatz in Kunst am Bau-Projekten nur selten zu finden. Dieses unglückliche Verhältnis liegt in einer Rückwirkung des Kunstmarktes auf die Entscheidung öffentlicher Gremien begründet. Der routinierte Rückgriff auf scheinbar gesicherte Marktkriterien verhindert mögliche Kooperationen zwischen Nutzern und Künstlern. Das Resultat ist eine öffentliche Kunst, die sich nur unwesentlich von den Produktshows in Galerien und Kunstmuseen unterscheidet. Weil im Zuge dieser Entwicklung nicht viel Veränderung zu erwarten ist, werden in letzter Zeit die Finanzierungen für das kosteninstensive Kunst am Bau-Programm immer häufiger in Frage gestellt.
Kunst am Bau ist heute eine der wenigen Möglichkeiten, alltägliche Lebenswelt künstlerisch zu gestalten. Damit diese Möglichkeit auch in Zukunft erhalten bleibt, muss ein grundsätzlicher Strukturwandel einsetzen. Wettbewerbsausschreibungen sollten verstärkt Auskunft über den Nutzer der Einrichtung geben, anstatt über die architektonische Beschaffenheit der Gebäudehülle zu berichten. Ein anderes Problem ist die Arbeit in den Auswahlgremien, wo man oftmals wie in den Musterkatalogen eines Warenhauses nach passenden Kunstobjekten Ausschau hält. Die eindeutigen Privatikonografien am Fließband arbeitender Künstler werden hier von Entscheidungsträgern benutzt, um möglichst unkompliziert die Gebäudehüllen zu dekorieren. Situationsspezifische Kunstproduktionen, die zwangsläufig in eine formale Verschiedenheit der Einzelprojekte münden müssen, finden dagegen kaum Berücksichtigung.
Das Modell einer kooperativen Kunstpraxis versucht gezielt, zwischen der künstlerischen Identität und den Gegebenheiten des Ortes zu vermitteln. Dazu ist ein lebendiger Dialog zwischen allen am Projekt beteiligten Partnern wünschenswert. Nur so kann das unsichtbare kulturelle Geflecht einer öffentlichen Situation zumindest teilweise freigelegt werden, um einen gestalterischen Eingriff darin einzubinden. Damit ist jedoch nicht die bloße Inauftragnahme der Interessen des zukünftigen Publikums gemeint, sondern ebenso deren kritische Reflexion.

 
Wolfram Höhne und Andreas Paeslack, Künstler
 
Die Leitlinien der Polizei des Freistaates Sachsen
 
Die Fachhochschule für Polizei Sachsen ist die höchste Bildungsstätte der sächsischen Polizei. Sie bildet in erster Linie die Beamten für den gehobenen Polizeivollzugsdienst (Komissare) aus. Dabei vermittelt sie den Studenten die wissenschaftlichen Kenntnisse und Methoden sowie die berufspraktischen Fähigkeiten und Kenntnisse, die zur Erfüllung der Aufgaben in der Laufbahn des gehobenen Polizeivolzugsdienstes erforderlich sind. Die Studenten sind zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kultur verpflichtetem sozialen Rechtsstaat und in der wissenschaftlichen Arbeit zu befähigen. Dabei ist das Verständnis für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge besonders zu fördern und besonders auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinzuwirken.
In der sächsischen Polizei gibt es ebenfalls Leitlinien für Zusammenarbeit und Führung. Diese Leitlinien sind in der sächsischen Polizei eingeführt ind verbindlich. Sie sind die „Zehn Gebote“ der Vollzugspolizei. Alle Dienststellen sind verpflichtet, diese Leitlinien in ihren Dienstgebäuden öffentlich darzustellen. Dies geschieht in der Regel durch Aushang, Aufstellung von besonderen Tafeln und Plakataktionen.
Die Leitlinien der Polizei des Freistaates Sachsen sind das Ergebnis von intensiven Diskussionen zu den Zielen und Wertevorstellungen bezüglich der Zusammenarbeit und Führung in der Polizei. Sie wurden in einem über mehrere Monate dauernden Prozess, durch eine Vielzahl von Frauen und Männern aus allen Bereichen der Polizei erarbeitet. Die Leitlinien sind keine Angelegenheit nur für Führungskräfte oder Mitarbeiter. Sie berühren ale gemeinsam.
Nun kommt es darauf an, sie zu leben und sie zum festen Bestandteil der Organisationskultur der Polizei des Freistaates Sachsen zu machen. Dazu ist jeder einzelne mit seinem Engagement und seiner Zivilcourage aufgefordert.
Das Wandbild am Durchgang vom Auditorium maximum und dem Foyer zum Büro- und Bibliotheksgebäude soll die Studenten der Fachhochschule für Polizei Sachsen zu einer Diskussion über denkbare Wertesysteme für ihr Handeln anregen. Als ein Begleiter der täglichen Studienroutine versucht das Wandbild den StudentInnen einen Kosmos der Möglichkeiten aufzuzeigen. Das Wandbild stellt die Leitlinien als den Beginn einer Auseinandersetzung dar, die ständig und unter Berücksichtigung eines breiten Spektrums der gesellschaftlichen Phänomene unserer Gegenwart geführt werden muss. Für die Komplexität einer Gegenwart, mit der die StudentInnen der Fachhochschule für Polizei Sachsen nach ihrer Ausbildung konfrontiert werden, ist die Weite des Kosmos ein symbolisches Zitat.

 
Olaf Berger, Fachhochschule für Polizei Sachsen