Jens Herrmann, Wolfram
Höhne, Andreas Paeslack
Der Produktionsbegriff „Kooperative Kunstpraxis“
entstand während unserer Arbeit an künstlerischen Projekten,
die wir seit 1997 in unterschiedlichen personellen Konstellationen realisieren.
Das Motiv, einer gemeinsamen künstlerischen Arbeit ihren öffentlichen
Stellenwert zu geben, hat die Arbeit an allen Projekten begründet.
Kooperation
Kooperieren bedeutet gemeinsam Handeln. Dies bedingt die Aufgabe einzelner
persönlicher Festlegungen zugunsten einer unvoreingenommenen Auseinandersetzung.
Ein Vorhaben wird zu einer Kooperation, sobald es den Beteiligten gelingt,
sich über diese Relativierung mit dem entstandenen Produkt zu identifizieren.
Im Bereich der Kunst macht eine Kooperation erst dann Sinn, wenn ein konkreter
Gegenstand für eine Zusammenarbeit benannt werden kann. Während
der Erarbeitung eines Projektes haben wir diesen Gegenstand von Interesse
ständig neu bestimmt. Es sind konkrete Orte, Situationen und erkennbare
Problemfelder, die wir unseren Anstrengungen zugrunde gelegt haben. Unsere
Arbeit ist durch die Ausrichtung auf öffentliche Fragestellungen
charakterisiert, was den Bestimmungsort wie den Adressaten zum Zentrum
des Diskurses werden lässt. Die Arbeit an einem Projekt war stets
von dem Anliegen begleitet, den Kreis der beteiligten Personen über
das Autorenkollektiv hinaus zu erweitern. Nur so ist es möglich,
das unsichtbare Interessengeflecht öffentlicher Situtationen im Erarbeitungsprozess
zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung vieler verschiedener
Gesichtspunkte eröffnet Identifikationsmöglichkeiten für
ein breites Publikum.
Unsere institutionellen Partner müssen ohne die weit verbreitete
Vorstellung vom agierenden Künstler und seinem passiven Gegenpart,
dem Betrachter, Theoretiker oder Vermittler auskommen. Wenn sowohl die
Künstler als auch die Kooperationspartner von ihrer Chance öffentlicher
Wirksamkeit Gebrauch machen, entstehen neue Handlungsspielräume.
Ein Projekt kann dann über die Abgeschlossenheit bekannter Werk-
und Veranstaltungsformen hinaus weitergeführt werden. Kooperative
Projekte können die Veranstalter auch über den Zeitraum ihrer
Erarbeitung nutzen, um Aktivitäten anzuregen und die Vorgänge
mitzugestalten, in denen sie tätig sind.
Arbeitsweise
In einem Prozess gegenseitiger Reflektion werden Ideen und Bilder erarbeitet,
die sich auf den konkreten Arbeitsgegenstand anwenden lassen. Mittels
einer diskursiven Gesprächskultur besteht die Aufgabe im Folgenden
darin, einzelne Meinungen und Erfahrungen in ein Verhältnis zu bringen,
das alle Beteiligten gemeinsam vertreten können. Erreicht wird dadurch
eine inhaltliche Fokussierung, die den betrachteten Arbeitsgegenstand
schärfer zu Tage treten lässt. Diese Konkretisierung von Problemfeldern
ist in unserer gesellschaftlichen Praxis nicht verankert. Eine Vielzahl
von Beispielen aus Politik und Wirtschaft bezeugt eher eine künstliche
Erhaltung von Komplexität, hinter der sich benennbare private Interessen
verbergen.
Durch die individuellen Kompetenzen und gemeinsames Engagement können
daraus lebendige Ergebnisse entstehen. Der offene und veränderbare
Charakter des Projekts muss in allen Stadien der Arbeit erhalten bleiben.
Konsenslösungen werden nicht immer angestrebt. Kooperative Projekte
können ebenso Konflikte und Differenzen zeigen. Die Fragestellungen
werden im Laufe unserer Arbeit zu Bildformen weiterentwickelt, die anschließend
ihre Tauglichkeit in realen Zusammenhängen beweisen müssen.
Kunst
Kooperative Kunstprojekte sind eine Alternative zu den häufig praktizierten
Formen öffentlicher Kunst. So wird Atelierkunst, die man in öffentliche
Räume transportiert, in der Regel zum Problemfall, weil sie an öffentlichen
Situationen keinen Anteil nimmt, sondern diese durch selbstbezogene Einzelstatements
prägt. Die daraus entstandenen Versuche öffentlicher Kunstproduktionen
erschöpfen sich heute zumeist in der Bespielung öffentlicher
Situationen oder der Formulierung neuer Abgrenzungen gegenüber einer
traditionellen Kunstauffassung. Eine kooperative Kunstpraxis beinhaltet
die unvoreingenommene Bearbeitung realer Probleme mit künstlerischen
Mitteln. Wir sehen darin den eigentlichen Wert öffentlicher Kunstprojekte.
Bisher bildeten einzelne künstlerische Handschriften die fragwürdigen
Kriterien für Qualität. Diese althergebrachten und in ständiger
Wiederholung propagierten Qualitätskriterien werden noch immer für
einen Ausdruck künstlerischer Professionalität gehalten. An
diesem Punkt rufen wir zur Unprofessionalität auf. Das gleiche Auswahlprinzip,
nach dem Chefentertainer von Fernsehshows ihre Superstars küren,
gilt heute auch für den Kunstbetrieb. Demnach sind die Künstler
Rohdiamanten, die durch die fähige Hand von Vermittlern erst ihren
wirklichen Glanz entfalten. In dieser professionellen Betriebsamkeit kann
nur noch ein Unfall tatsächlich etwas sichtbar machen. Die von uns
entwickelten Arbeiten sind keine Kunst von der Stange errungener Stilistiken,
sondern beziehen ihre Einmaligkeit aus den besonderen Gegebenheiten jedes
einzelnen Projektes.
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