Ines Knackstedt, Katja Weber, Wolfgang Bock, Jens
Herrmann, Wolfram Höhne, Andreas Paeslack- ein Beitrag zum Projekt
„baustelle K7 - Kunst im öffentlichen Raum in Sachsen 1990-2002“
des Sächsischen Künstlerbundes e.V.
Kunst ist ein Regulativ der Gesellschaft. Die
Künstler müssen lernen, die Freiheit, die der Staat ihnen gewährt,
auch gegen den Staat zu gebrauchen.
Kunst steht im Dienst der Emanzipation. Sie
repräsentiert symbolische Macht und darf nicht zu Statussymbolen
oder Luxusgütern verkommen. Kunst wird mit dem halben Mehrwertsteuersatz
privilegiert und soll deshalb einen gesellschaftlichen Mehrwert liefern.
Gesellschaftliche Diskrepanz verpflichtet die Künstler zur Intervention.
Das Versprechen der Kunst, ein gesellschaftlich relevanter Bereich zu
sein, steht in keinem Verhältnis zum realen Vorkommen der Produkte,
die sie hervorbringt.
Professionell arbeiten bedeutet zu funktionieren. Durch
Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam entsteht das objektive Kunstwerk.
Künstler werden zu Zulieferern der Kulturindustrie. Das subjektive
Kunstwerk arbeitet an gesellschaftlichen Realitäten.
Kunst ist frei in ihren Entdeckungen aber
sie muss ihre Begründung in der gesellschaftlichen Notwendigkeit
finden.
Kunst ist keine Frage des Stils denn der Stil
beantwortet alle Fragen unterschiedslos.
Kulturbürokraten umschulen! Die Vertreter
der Institutionen müssen an der gesellschaftlichen Sinnstiftung arbeiten.
Dem Rückzug der Institution aus ihren öffentlichen Verpflichtungen
muss Einhalt geboten werden. Das Ausschreiben von Wettbewerben sichert
noch kein demokratisches Verfahren.
6% des Bauetats müssen zur Gestaltung
des öffentlichen Lebens verwendet werden
denn das Bauen verbraucht ökologische wie kulturelle Ressourcen.
Kunst ist live. Sie entsteht situativ zum
Orts- und Zeitgeschehen. Die Kunstsammlungen rund um den Globus zeigen
den Einheitsbrei einer globalisierten Kunst.
Es geht nicht darum, als Künstler
populär zu werden, sondern die Kunst populär zu machen. Die
künstlerische Wahrheit ist nur dann eine glückliche Wahrheit,
wenn sie teilbar ist.
Kunst erfindet sich immer wieder neu aus dem
Horizont ihrer uneingelösten Hoffnungen.
Dieses Thesenpapier ist das Ergebnis eines Workshops
über das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit. Die Autoren
fordern, das Missverhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Anspruch
und dem realen Vorkommen der Kunst zu beenden. Neben verständlich
aufbereiteter Theorie enthält es ein praktisches Modell für
die Erneuerung des Kunst-am-Bau-Programms, das wir unserem Auftraggeber,
dem Sächsischen Künstlerbund, in Dankbarkeit widmen.
Die aufgestellten Thesen beruhen auf theoretischen Betrachtungen von Bazon
Brock, Walter Grasskamp, Fritz Rahmann, Walter Benjamin, Woody Allen,
Theodor W. Adorno, Alan Sokal und Hans Haacke. Sie haben bis heute kaum
Veränderungen der staatlichen Kulturpolitik auslösen können.
Dies liegt nicht unerheblich daran, dass die Diskussion um öffentliche
Kunst mit veralteten Argumenten geführt wird, dass es den Entscheidungsträgern
an Mut und Kompetenz fehlt, dass Künstler sich im vorauseilenden
Gehorsam den Gesetzen des Marktes unterwerfen oder politische Kunstbegriffe
als Argumentation benutzen, ohne sie praktisch einzulösen. Die öffentliche
Plakatierung soll diese Gedanken aus der Verschlossenheit von Buchdeckeln
befreien und zur Diskussion stellen.
Kunst verkörpert zum einen die Frage nach Sinn und Wahrheit gesellschaftlichen
Zusammenlebens. Zum anderen ist sie ein hoch gehandeltes ästhetisches
Kultobjekt. Aus dem Bedürfnis nach dem schönen Schein schürft
der Kunstmarkt seine Profite. Dem gegenüber sollte die staatliche
Kulturpolitik zumindest laut der bürgerlichen Verfassung zur gesellschaftlichen
Sinnstiftung durch Kunst verpflichtet sein. Im Gegensatz zum Kunstmarkt,
der durch käufliche Anlageobjekte einen florierenden Handel hervor
gebracht hat, steckt die staatliche Kunstförderung jedoch in einer
tiefen Krise und ist den ständigen Kürzungen ihrer Budgets ausgeliefert.
Das Diktat des Kunstmarktes, das auf einer religiösen Verklärung
der Kunst als ästhetischem Wertobjekt beruht, verdrängt heute
die gesellschaftliche Sinnfrage durch Kunst. Die Künstler wie die
Vertreter der Öffentlichkeit etablieren eine zweifelhafte Kulturpraxis
und geben damit den wichtigsten Anspruch der Kunst auf, nämlich ein
kritisches Regulativ der bürgerlichen Gesellschaft zu sein. Die freiheitlichen
Werte der Kunst drohen durch die zersetzende Wirkung des Ökonomischen
ausgehöhlt zu werden. Das Resultat ist eine staatliche Kunstförderung,
die sich aus Bequemlichkeit und Opportunismus den Kriterien eines freien
wie asozialen Marktes ergibt, der einen Konsum orientierten und distanzierten
Betrachter produziert.
Die Monopolisierung der staatlichen Kunstförderung durch den Markt
wird umso zwielichtiger, wenn man bedenkt, dass die soziale Wertschätzung
der Kunst in der Gesetzgebung verankert ist. Der Staat privilegiert die
Kunst durch die Gewährung eines geringeren Mehrwertsteuersatzes.
Dies ist der historischen Einsicht zu verdanken, dass liberale Systeme,
wie die bürgerliche Demokratie, größere Überlebenschancen
haben, solange sie kritikfähig bleiben. Wenn die Kunst dieses Privileg
gerechtfertigter Weise behalten will, so kann sich ihr Anspruch nicht
in der Produktion von Luxusgütern und Repräsentationsformen
erschöpfen. Vielmehr muss sie die Kritik der ökonomischen und
sozialen Verhältnisse zu ihrer Aufgabe machen. Die ökonomische
Basis, die der Staat den Künstlern durch die Finanzierung der Kulturförderung
zur Verfügung stellt, bildet bereits die Basis dieser Kritik. Denn
Steuergelder verkörpern die moralischen Unzulänglichkeiten der
Gesellschaft, weil sie zum Teil aus fragwürdigen Geschäften
finanziert werden. Darum verpflichtet jede gesellschaftliche Diskrepanz
die Künstler zur Intervention. Sobald Künstler die Möglichkeit
der Kritik nicht wahrnehmen, verschenken sie symbolische Macht. Sie produzieren
unter dem Vorwand des Guten, Wahren und Schönen ästhetische
Hüllen, die von anderen für deren Zwecke instrumentalisiert
werden. Das subjektive Kunstwerk arbeitet am Apparat, während das
objektive Kunstwerk sich den bestehenden Bedingungen anpasst. Kulturinstitutionen,
die kommerzielle Erfolgsmodelle unterstützen, erfüllen ihren
gesellschaftlichen Auftrag nur dann, wenn sie auch die gestalterische
Kraft der Kultur für die Gemeinschaft damit nutzbar machen. Der Untergang
des Lebendigen beginnt mit einer Diktatur der Verwaltung.
Seine Begründung findet diese zweifelhafte Praxis in einem deformierten
Demokratieverständnis, das die Kunst als unlimitierten Freiraum sich
selbst (aber in Wirklichkeit den Gesetzen des Kunstmarktes) überlässt
und durch die Gewährung dieses Freiraums pauschal die Freiheit der
bürgerlichen Gesellschaft proklamiert. Tatsächlich ist die Autonomie
(Selbstsetzung) der Kunst eine Innovation der bürgerlichen Gesellschaft,
die sich in ihren Ursprüngen gegen die Indienstnahme der Kunst durch
Adel und Klerus wandte. Führt man den Anspruch der Autonomie nach
dem Wegfall feudaler Machtstrukturen konsequent weiter, so bedeutet er
fortan die Kritik der neu entstandenen Machtverhältnisse. Mit rhetorischen
Schachzügen werden heute ästhetische Argumentationen aus dem
Repertoire der Kunstwissenschaft gegen kritische Kunst ins Feld geführt.
Das Resultat dieser Kultivierung künstlerischer Stilistiken ist der
Einheitsbrei einer globalisierten Kunst, der in den privaten wie öffentlichen
Kunstsammlungen rund um den Globus vorgeführt wird. Der Kunstmarkt
hat die öffentlichen Institutionen als kostengünstigen Schauplatz
zur Stabilisierung des Marktwertes von Kunstwerken unterlaufen. So können
sich die persönlichen Karriereabsichten von Kuratoren, öffentlichen
Beamten, Wissenschaftlern und Künstlern zu einer Allianz verbünden,
die akademischen Kitsch unterstützt und Kulturbürokraten aushält.
Dies hat zur Folge, das sich die kritischen Intellektuellen demoralisiert
und demobilisiert abwenden, um ihr Glück selbst organisiert in Teilöffentlichkeiten
zu finden.
Damit der Eindruck demokratischer Verfahrensweisen einigermaßen
aufrecht erhalten wird, schreibt man öffentliche Mittel in Wettbewerben
aus oder lässt sie durch Gremien verteilen. Vergebens wird man nach
der inhaltlichen Auseinandersetzung dieser Gremien suchen, die wohlweislich
nicht öffentlich kommuniziert wird. Die Freiheit von Forschung und
Kunst wird nur dann wirksam, wenn sie für die Wege der Entdeckungen
gilt. Sie befreit jedoch nicht von der Notwendigkeit ihrer Begründung
im gesellschaftlichen Zusammenhang und der Bemühung um populäre
Vermittlung.
Kunst im öffentlichen Interesse sucht nach Alternativen zu den bestehenden
kulturellen Verhältnissen. Sie verlässt die hierarchische Kommunikations-Struktur
weltabgewandter Produzenten und distanzierter Betrachter. Bereits in ihrer
Entstehung tritt sie in eine Dynamik der Wechselseitigkeit und bleibt
im Laufe ihrer Produktion veränderbar. Sie wird erst dadurch möglich,
das Künstler, Publikum und Entscheidungsträger einen unvoreingenommenen
Dialog über öffentliche Fragestellungen führen und in diesen
investieren. Künstler wie Kulturbehörden müssen sich als
Bürger verstehen.
Das Kunst-am-Bau-Programm nimmt in Deutschland die Stellung der finanzkräftigsten
staatlichen Förderung für bildende Kunst ein. Seit ihrem Bestehen
existiert Kunst am Bau abseits künstlerischer Entwicklungen und Innovationen.
Der Kunstdiskurs kritisiert diesen Zustand bereits seit den frühen
sechziger Jahren, ohne dass dies nennenswerte Auswirkungen auf die Ausschreibungs-Praxis
staatlicher Träger hervor gebracht hätte. Noch immer durchzieht
das zweifelhafte Dogma des Architekturbezuges die Ausschreibungen und
zielt auf die exklusive Aufwertung staatlicher Prestigebauten durch Kunst
ab, für die sich marktgerechte Kunst bestens eignet. Kunst am Bau
wird nach den formalen Kriterien des Kunstmarktes juriert. Die zukünftigen
Nutzer der Gebäude und deren Arbeitsfeld spielen in den Ausschreibungen
kaum eine Rolle. Der damit einhergehende Verlust an gesellschaftlicher
Relevanz kommt durch die Kürzung des Kunst-am-Bau-Etats und das zahlreiche
Entstehen selbst organisierter Projekte im öffentlichen Raum zum
Ausdruck. Das öffentliche Potential der Kunst-am-Bau-Förderung
wird heute an den Markt verschenkt.
Die von uns vorgeschlagene Neuorientierung basiert auf dem Verbrauch kultureller
wie ökologischer Ressourcen durch das Bauen. Der unbebaute Stadtraum
verbleibt vielerorts als Brache, wodurch es gerechtfertigt ist, dass das
Bauen Mitverantwortung an der Entwicklung des öffentlichen Raumes
tragen muss. Wir schlagen deshalb die Einführung einer Abgabe für
private wie öffentliche Bauvorhaben vor, die für diesen Zweck
zur Verfügung gestellt werden soll.
Die Erhebung von sechs Prozent der Bausumme auf alle Bauvorhaben soll
geteilt werden in vier Prozent, die dem Kulturetat der Kommunen für
die Stadtkulturarbeit zur Verfügung stehen und zwei weiteren Prozenten,
die für die kritische Hinterfragung der Öffentlichkeit durch
Kunst verwendet werden sollen. Für öffentliche Bauten ist die
Erhebung eines weiteren Prozentes für Kunst am Bau vorzusehen. Ein
Wettbewerb soll jedoch nur dann ausgeschrieben werden, wenn der Nutzer
des Gebäudes die kritische Auseinandersetzung mit seiner Institution
durch die Künstler als Auftrag formuliert.
Für die Vergabe des für eine Kunst im öffentlichen Interesse
erhobenen Prozentsatzes sind in einer Zusammenarbeit von Künstlern,
Wissenschaftlern, Sozialarbeitern und Bürgerinitiativen Themenkomplexe
zu erarbeiten, die sich der kritischen Betrachtung öffentlicher Problemfelder
widmen. Diese sollen fortan die Grundlage der staatlichen Kunstförderung
bilden.
Das Gesamtprojekt „baustelle k7-Kunst im öffentlichen
Raum in Sachsen 1990-2002“ wird gefördert durch: Sächsisches
Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Kulturamt Chemnitz,
Kulturamt der Landeshauptstadt Dresden, Kulturamt Leipzig. Ein Projekt
des Sächsischen Künstlerbundes e.V.
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