Dresden Gerahmt

Grit Moch in Sächsische Zeitung, 29. Mai 2002
 
Künstler gießen größten Bilderrahmen Europas und montieren ihn in 42 m Höhe

An wen oder was denken Sie beim Blick auf Dresden? Die Frage haben Künstler auf dem 42 Meter hohen Ernemannturm gestellt. Und die Dresdner blieben ihnen keine Antwort schuldig. Sie notierten ihre Gedanken auf eine große Plakatwand: „An meine Jugend. Mein Zuhause. Meine Schule. Meine Parkbank. An Felix und pa. An meine Fußballkumpels.“ Von A wie Arbeitsamt bis Z wie Zwinger reichen die Sichtweisen. „Denkmalsschützer erzählen von Orten, die gar nicht mehr existieren, Architekten von solchen, die noch nicht da sind“, berichtet Jens Herrmann. Jeder hat sein eigenes Bild von der Stadt. Kaum fassbar eigentlich, weil persönlich und veränderlich. Und dennoch wollen es Herrmann und fünf Künstler-Kollegen aus Dresden, Berlin und Weimar fassen. In einem 33 Meter langen, ovalen Bronzerahmen. „Der größte in Europa“, sagt Herrmann. Derzeit montieren die Künstler die 40 Einzelteile auf den Handlauf auf der Aussichtsplattform des Ernemannbaues. Der Ring soll das Bild der Stadt symbolisch umrahmen. Ein Häusermeer auf den ersten Blick. Ein zweiter Blick soll zeigen, wie die Stadt unter den Dächern, hinter den Mauern lebt. Dresdner waren aufgerufen, ihre Bilder der Stadt einzusenden. 700 Fotos gingen ein. Über 300 wurden ausgewählt, sie zieren nun die Tapete im Turmzimmer.
Das Gesamtprojekt ist Ergebnis des Dresdner Metallguss-Symposiums 2001 mit Ines Knackstedt, Arend Zwicker, Christian Korth, Wolfram Höhne, Andreas Paeslack und Jens Herrmann. Schon beim ersten Aufstieg im Ernemannturm der Technischen Sammlungen entstand die Rahmen-Idee. Dann suchten die Akteure nach einer Dresdner Fassung und wurden bei Harald Marx, dem Chef der Galerie Alte Meister, fündig. Marx berichtete von der so genannten „Dresdner Leiste“, nach deren Vorbild Mitte des 18. Jahrhunderts sämtliche Rahmen der Sempergalerie gefertigt wurden. Nach ihnen wurden dann die Teile des Bronzeringes in der Bildgusswerkstatt Gebrüder Ihle in Rabenau gegossen.
Richtig fertig wird die Rahmung aber erst im Laufe der Zeit. Denn den Bronzeguss sollen – wie bei einer Orientierungstafel auf Aussichtspunkten – noch Namensblättchen zieren. Von A wie Arbeitsamt bis Z wie Zwinger. Von Felix bis Opa. Von meine Schule bis meine Parkbank.
777 Euro kostet eine Gravur. Die ersten Plätze haben sich der Neue Sächsische Kunstverein und die Porzellanklinik bereits reserviert. Die Einnahmen sollen der Rekonstruktion nunmehr gekrönten Ernemannbaus zugute kommen.