Die blaue Bank - Ein Stück in drei Akten

Wolfram Höhne, Jens Herrmann, Prof. Dr. Achim Preiß (alias Joe Kromsdorf), Andreas Paeslack; Beitrag zum Katalog "Inspiration Moritzburg- Kunst im 20. Jahrhundert"
 
Die Veranstaltung "Inspiration Moritzburg" richtete ihren Blick auf das vergangene Jahrhundert der Kunst in Moritzburg. Während die Besucher im Schloss die Gelegenheit erhielten, das Werk der Künstler zu betrachten, stellte die Käthe- Kollwitz- Gedenkstätte in ihrem Beitrag die Frage nach dem künstlerischen Selbstverständnis- damals und heute. Jens Herrmann, Wolfram Höhne, Joe Kromsdorf und Andreas Paeslack haben versucht, den Blick zurück zu wenden und schrieben in einer Nacht die fiktive Begegnung zwischen vier Künstlern nieder. Wenn der Tod uns die Lebendigen nicht so unbarmherzig entreißen würde, wäre es gar nicht so unwahrscheinlich, dass sich folgendes abgespielt hat:

Eine blaue Bank steht in weiter Landschaft, unweit von einem See. An einem schönen Sommernachmittag führen vier Künstler des 20. Jahrhunderts ein Gespräch über die Kunst und das Publikum.
 

Vorspiel
 
Herr K1, Vertreter der klassischen Moderne
Frau K2, Symbolfigur einer linken, sozial engagierten Kunst
Herr K3, Prominenter der Nazi-Kunst
Herr Kavier, Kunstprofessor, ist der Einzige, der noch lebt

Kavier betritt die Szene, er hält das Leporello des Kunstprojektes Barockhaus in der Hand, liest darin, schaut sich die blaue Bank an, geht inspizierend um die Bank, schaut unter die Bank, schüttelt den Kopf, liest wieder, späht in die Ferne. Schließlich setzt er sich. Sein Blick wechselt zwischen dem Leporello und einem Punkt in der Landschaft.
Während des gesamten Stückes tragen leicht bekleidete Damen Kunstwerke des 20. Jahrhunderts hinter der Bank durch die Landschaft. Auf ihren Badeanzügen liest man 1, 2, 3 und vier.
 
1.Akt
 
K1 und K2 kommen Arm in Arm in weißen Gewändern mit angeklebten Flügelchen auf dem Rücken hinzu
 
K1. Dürfen wir uns zu ihnen setzen?
Kavier. Bitte, gern.
K1. (schwärmend zu K2) Hier haben wir, vor beinah 100 Jahren unsere prächtigsten Landschaftsbilder gemalt, mit schönen Menschen darauf, ganz wie sie Gott geschaffen hat.
Kavier. Auch ich male und das nicht nur gelegentlich.
K2. Wir kennen ihre Arbeit.
K3. (kriecht auf die Bühne, er ist zerlumpt, seine Kleidung ist versengt und qualmt noch. Im Befehlston verschafft er sich Platz auf der Bank.) Ich bin Künstler und auch mir steht ein Platz auf einer öffentlichen Bank in Deutschland zu.
Kavier. Das ist keine Bank, das soll Kunst sein - eine (zitiert aus dem Leporello) Anmoderation des Landschaftbildes, das damit zum Kunstwerk erklärt wird.
K3. Ich habe gewußt, dass es so enden wird, wahrscheinlich noch großzügig aus der Staatskasse bezahlt und für solides Handwerk ist nichts mehr drin.
Kavier. Sie sprechen mir aus der Seele.
K1. Ob Kunst oder nicht, man sitzt bequem und der Blick in die Landschaft ist auch angenehm.
K2. Eine richtige Volksbank- wie man sieht.
Kavier.
(sichtlich erregt) Dem Volk kann man ja alles andrehen, wenn man geschickt ist.
K1. Wir waren damals ungeschickt. Eine radikal neue Kunst, die dem Volk näher sein sollte als die akademische Malerei haben wir gefordert, aber uns hat niemand verstanden. Wir suchten nach einem neuen Volk, doch das war nirgends zu finden.
Kavier. Die Menschen, das Volk, das weiß doch gar nicht, was es will. Wenn das Volk entscheiden darf, was Kunst ist, dann können wir alle einpacken.
K2. So negativ kann ich das nicht sehen. Wahre Kunst zeigt doch immer das Antlitz der Menschlichkeit und will die Welt verbessern.
K3. Weltverbesserung? Das wollten wir doch auch und nicht nur von der Maas bis an die Memel. Aber bei ihnen sehen die Abgemeldeten ihr Schicksal auf den Bildern wieder und sollen dann noch stolz sein auf ihr Elend. Dafür gibt doch niemand Geld aus. Selbstbestrafung vor Publikum. (lacht) Nein! Kunst geht nach Brot.
Kavier. (zu sich selbst) Das meiste Brot verteilt heute der Staat. (zu den anderen) Will man nicht untergehen, so muss man sich mit den Kommissionen und Gremien gut stellen.
K1. (erregt) Was kommt denn dabei heraus, wenn Künstler nur lavieren und Kompromisse suchen, Hinz und Kunz in den Arsch kriechen. Gute Kunst entsteht doch aus der Wahrhaftigkeit der Gefühle, aus der Unmittelbarkeit der Empfindungen- alles andere ist eitler Kitsch oder vertrockneter Gelehrtenfurz.
K2. Reg dich ab, deine Gefühle waren auch nur dann klar und mächtig, wenn dir das Morphium ausgegangen ist. Oder hast du es schon vergessen (verdreht die Augen) das ganz naive, reine Müssen...
K3. (zu K1) Vergiftet- so sehen ihre Bilder aus. Aber natürlich sind sie in den Himmel gekommen und ich bin in der Hölle gelandet, (weinerlich) bloß weil ich dem Gröfaz die Hand geschüttelt habe.
K2. Ich glaube nicht, dass eine Kunst ohne Kompromisse und Abstriche überhaupt möglich ist. Aber darin verlieren darf man sich nicht. Heutzutage gibt es zuviel Selbstbewusstsein ohne Bewusstsein. Als Künstler braucht man ein soziales Gewissen und politisches Bewusstsein.
K3. Das war doch eine meiner Stärken! Ich sage nur der Übermensch...
K2. (angewidert)...ist mindestens drei Meter groß.
Kavier. Ein Dachrinnensäufer verheiratet mit neunzig, sechzig, neunzig. Das sind scheinbar die einzigen Werte, die heute wirklich sicher sind. In der Vergangenheit gab es den Adel, die Kirche oder den Staat. Heute hält sich der Staat unter dem Vorwand der Demokratie aus allem heraus. Es gibt keinen Respekt mehr und die Tradition gilt als Schimpfwort.
K1. Seien sie doch froh! Als wir anfingen, herrschte auch Chaos und Unsicherheit. Wir haben den Mief der Ateliers verlassen, alle Traditionen verworfen und was Neues gemacht, etwas, das der Zeit entsprach, nicht der Geschichte.
 
Zuruf aus dem Publikum. Mief ist das Parfum der Zukunft!
 
Kavier. (beleidigt) Meine Ateliertür steht offen, auch für Leute mit neuen Ideen. Da weht immer ein frischer Wind!
K2. Sie Armer, sie sitzen in ihrem warmen Atelier und die einzige Jahreszeit, die dort vorherrscht, ist ihre Einsamkeit.
Kavier. (voller Überzeugung) Es geht doch darum, seine Eigenheit zu bewahren und das im Widerstand zur Realität. Wie soll man sich denn unterscheiden, ohne sich selbst zu finden?
K2. Ich glaube, sie bringen da was durcheinander. Für sie zählt doch nur ihr malerischer Stil und genau damit bringen sie Gewalt über die Motive, die Mittel und schließlich über das Publikum. Falls sie es noch nicht wussten, die Selbstverliebtheit sabotiert den künstlerischen Auftrag.
K1. (zu Kavier) Sie als Professor müssten doch wissen, dass die Akademie ein Elfenbeinturm ist, in dem alles gleichgemacht wird. Das wirkliche Leben spielt sich woanders ab.
K2. (auch zu Kavier mit belustigtem Erstaunen) Richtig mein Lieber, überlegen sie doch mal, warum interessiert sich das Volk nicht für die Kunst? (bedeutungsvoll) Weil sich die Kunst nie für das Volk interessiert hat.
Kavier. (zynisch) Ja, ja, dem künstlerischen Widerstand, dem Protest und damit der Erneuerung setzt die Kunstgeschichte ein Denkmal, während die zu Lebzeiten Erfolgreichen meist im Depot und in der Hölle verschwinden. Wo ist denn da die ausgleichende Gerechtigkeit?
K1. Ruhig Blut. (hämisch) Sie sind doch kein so Schlechter. Die Kunstwissenschaft biegt das auch bei ihnen hin.
K3. (gleichgültig) Ich habe mich mit meinem Publikum immer gut verstanden und eine saubere Arbeit abgeliefert. Alles andere konnte mir egal sein. (blickt auf) Gut, ich habe mit einem verbrecherischen Staat zusammengearbeitet. Aber rechtfertigt das denn, dass meine Bilder aus Gründen der politischen und ideologischen Hygiene heute der Öffentlichkeit entzogen werden?
Kavier. Ein Schutz der Kunst ist unabdingbar, aber natürlich verlangt das vom Künstler diplomatisches Geschick. Wer zuviel Gegenwind erzeugt, kommt unter die Räder. Wie in der Natur liegt die Überlebenschance in der Anpassungsfähigkeit.
K1. (trocken) Und damit haben sie Erfolg?
Kavier. (achselzuckend) Bedauerlicher Weise nicht, jedenfalls keinen großen. Während ich hier als ehemaliger Regimegegner anerkannt und beschützt bin, kann man mich woanders ungestraft als ehemaligen Opportunisten hinstellen, beziehungsweise hinhängen.
K3. (erstaunt) Die ehemaligen Mitläufer und Helden sind also auch im Depot verschwunden und vom Markt?
Kavier. Ja - nein, eigentlich nicht. Wer sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnt, für den hat Handwerk auch heute noch goldenen Boden. Das war schon immer so.
K2. Sie tun mir aber leid, vielleicht sollten sie probieren, beides zu sein und ihre Kunst als eine Art Selbstwiderlegung zu betreiben.
Kavier. Ja, machen sie sich ruhig lustig, sie Engelchen. Sie haben es ja hinter sich. Es wird ihnen aber nicht entgangen sein, dass auch mit der ehrlichen, politisch einwandfreien Kunst, für die sie einstehen, nachträglich Schindluder getrieben wurde - ständige Umdeutungen und Aufblähungen zum Nutzen der jeweiligen Machtverhältnisse.
(tut so, als würde er einen Fahrradschlauch aufpumpen)
K2. Das weiß ich, aber auch darin liegt etwas Gutes, denn es verhindert, selbstgefällig zurückzublicken.
K1. (zu Kavier) Man kann auch in den Himmel kommen, ohne Märtyrer gewesen zu sein. Vertrauen sie auf die Richtigkeit und Menschlichkeit ihrer Ideen und stürzen sie sich damit in den Strudel der Veränderungen. Dort, wo der Strom am reißendsten ist, werden sie heute die Besten finden.
K1 und K2 ab
 
2.Akt
 

K3. Wenn sie erlauben, bleibe ich noch eine Weile. Wo ich herkomme, zieht es mich nicht hin.
 

K3 und Kavier betrachten schweigend die Landschaft, als ein elegant gekleideter Herr leicht hinkend auf die Bühne kommt und höflich bittet, sich kurz ausruhen zu dürfen. Er setzt sich neben Kavier.
 

Herr. Entschuldigen sie, ich war gerade in der Nähe und habe zufällig ihr Gespräch mitbekommen. Ich hoffe, ich erscheine nicht zu aufdringlich, wenn ich den Faden nochmals aufgreife. Mein Beruf ist Kunstmakler. Ich kenne also die Unberechenbarkeit des heutigen Kunstbetriebs und möchte nicht ohne Stolz darauf hinweisen, dass einige der berühmtesten Künstler ihren Erfolg mir zu verdanken haben.
Kavier. Klingt interessant, aber verzeihen sie, was hat das mit mir zu tun? (erstaunt) Wollen sie mir ihre Dienste antragen?
Herr. Genau!
Kavier. Wie kommen sie denn auf mich, sie kennen mich und meine Arbeit doch gar nicht.
Herr. Sehen sie, das ist ein Irrtum. Ich habe sie schon seit längerem im Auge und konnte mich davon überzeugen, dass ihre Arbeit unterbewertet ist.
Kavier. Sie schmeicheln mir, aber das ganze hinkt doch.
Herr. Machen sie sich keine Sorgen. Ich garantiere ihnen eine Reihe internationaler Einzelausstellungen und den Verkauf ihrer Werke auf Höchstpreisniveau. Sie müssen nichts anderes tun, als das, was sie bisher getan haben.
Kavier. Nehmen wir für den Moment an, dass ich ihnen glaube, dann bleibt mir immer noch unklar, welche finanziellen Verpflichtungen ich damit eingehe.
Herr. Jetzt kommt das Beste - keine oder so gut wie keine. Nicht nur der Ruhm, auch das Geld bleibt ganz bei ihnen. Damit sie diesbezüglich wirklich sicher sind, genügt mir ein Handschlag, um unsere Zusammenarbeit zu besiegeln. Wir brauchen nichts Schriftliches, denn sie werden ja kein Motiv finden, unseren Vertrag zu brechen.
K3. (zu Kavier) Ich würde einschlagen oder kriegen sie solche Angebote öfter?
Kavier. Nein, noch nie und das gibt es auch so nicht, davon hätte ich bestimmt schon gehört. Sie sagten, ich würde so gut wie keine Verpflichtung eingehen. Also irgend etwas wollen sie doch haben.
Herr. Ihre Seele.
Kavier. (erstarrt) Was?
K3. Nun geben sie sich einen Ruck, und leben sie fortan in Saus und Braus! Werden sie berühmt und vernichten sie ihre Feinde!
Kavier. Stürzt davon

K3. (aufbrausend) Du hast es versaut, das hast du mit Absicht gemacht. Dein Spiel und du setzt es in den Dreck.
Herr. Pass auf, kleiner Mann, weil ich meinen humanistischen Tag habe, erkläre ich dir, weshalb ich diese Seele fliehen ließ. Was soll ich denn mit einem Diener? Diese rückratlosen, opportunistischen Kleinkrämer sind doch die Masse und die straft mein alter Ego, Christus, schon selbst. Glaubst du, mir ginge es um das Volk? Hast du je ein ganzes Volk in meiner Hölle getroffen? Bei mir bleiben nur die Mächtigen, die sich bewusst entschieden haben. Seitdem dieser unerträgliche Goethe seinen Faust in die Welt gesetzt hat, schwärmt ihr Künstler für das Volk, das ihr bilden, unterhalten und begeistern wollt. Dabei versteht gerade ihr am wenigsten vom Volk, weil ihr talentiert seid und daher eben nicht durchschnittlich. Hast du mich je für die Sünde in öffentlichen Ansprachen predigen hören? Nein, mein Erfolg basiert nur auf der Verführung. Das lieben die Menschen. Dabei geht es um jede einzelne Seele, nicht um das Volk. Gut, viele moderne Seelen sind mir knapp entronnen. Sie hatten nicht die Macht, sich nicht einmal darum bemüht, weil sie unrealistisch genug waren, an das Gute im Menschen zu glauben. Du aber warst aus anderem Holz. Du hast das Volk richtig eingeschätzt und daher nicht geliebt. Du hast dich entschieden, den Zarathustra zu spielen, obwohl deine Talente und Fähigkeiten das nicht hergaben. Dann kamen andere Übermenschendarsteller, die dich förderten und protegierten, damit du ihnen hilfst, in die Geschichte einzugehen. So hat einer den anderen verführt und nur wer die Gabe der Verführung hat, kann sich auf mich verlassen.
Mich interessieren nur die Abgeklärten, die Raffinierten und Superschlauen, nur die produzieren die bizzaren Sündengespinste, die ich so liebe.

 
ein Flügel fällt vom Himmel herab und streckt K3 nieder
 
Kavier kommt außer Atem zurück
 
Kavier. Gut, dass ich sie noch antreffe. Ich habe über ihr Angebot nachgedacht und möchte ihnen einen Gegenvorschlag machen. Meine Seele, die bekommen sie nicht, aber ein Porträt von ihnen, das können sie bekommen. Das kann ich vergleichsweise gut.
Herr. Ihre Bereitwilligkeit in Ehren, lassen sie mich etwas anderes vorschlagen. Wer interessiert sich denn schon für mein wahres Antlitz. Dafür finden sie ja doch keinen Käufer. Ich habe eine höhere Aufgabe für sie. (rückt näher an Kavier) In meinem Souterrain (zeigt nach unten) ist noch die Decke zu bemalen. (zeigt nach oben) Ich dachte da so an die Darstellung der Menschheitsgeschichte, frei nach dem Motto: „Die Kreatur als Spielball der Elemente zwischen Himmel und Hölle.“ (zeigt zwischen oben und unten)
Kavier. Und in welcher Form stellen sie sich das vor?
Herr. Da bin ich ganz offen. Sie können ungestört arbeiten und ihrer künstlerischen Intuition freien Lauf lassen.
Kavier. (nachdenklich) Bis wann soll denn die Arbeit beendet sein?
Herr. Keine Sorge, sie haben alle Zeit der Welt.
Kavier. Da muss ich sie leider enttäuschen. Meine Verpflichtungen sind zu groß, um mich auf ewig ihren Wänden zu verschreiben. Entschuldigen sie mich... (will gehen)
Herr.Warten sie noch einen Augenblick. Ihr Vorschlag, ein Bild von mir zu malen, bringt mich auf eine Idee. Wenn sie mich ins Bild setzen wollen, kommen sie doch nicht um die Behauptung herum, dass Gott existiert, oder?
Kavier. Seit sie vor mir stehen, habe ich da kaum noch Zweifel.
Herr. Ich würde mich bereits mit einem Christusbild von mittlerem Format begnügen. Malen sie ihn mir, wie er am Kreuze leidet und mit einer hübschen Ansicht von Golgatha dahinter. Ich habe schon so ein Bild. Es ist gerademal ein paar hundert Jahre alt. Die armen Sünder kopieren es fast täglich, und erhoffen sich so ein wenig von ihrem Leid zu ersparen. Die alte Vorlage taugt nichts mehr, denn meine Jünger revoltieren und wollen nichts mehr wissen von der Gerechtigkeit, die ihnen bei mir widerfährt. Sie zweifeln selbst am Leiden Christi! Ihr Bild könnte anders sein und das Gesicht Gottes auf der Welt würde ab jetzt die Züge ihrer Meisterschaft tragen.
Kavier. Verstehe ich richtig, es handelt sich um ein Bild?
Herr. Ein einziges.
Kavier. Der Kompromiss gefällt mir. Sie werden es nicht bereuen. (schlägt ein)
Herr. Leben sie wohl.
 
der Herr reicht Kavier eine Visitenkarte, Kavier steckt sie ein
 

Herr. (zu K3, der noch immer am Boden liegt) Aufwachen! Keine Tricks. Du weißt doch: Bei mir ist noch keiner gestorben.
 
der Herr und K3 ab

 
3. Akt
 
Kavier sitzt allein auf der Bank, stützt den Kopf in die Hände, versinkt in Gedanken, holt die Visitenkarte aus der Tasche, studiert die Adresse und merkt nicht, dass ein Mann in Arbeitskleidung mit Eimer und Schaufel gekommen ist.
 

Herr Bakowski. Schönen Tag auch, können sie mal kurz Platz machen?
Kavier. (überrascht) Wie bitte?
Herr Bakowski. Hier liegt Dreck rum, sehen sie doch! Den will ich wegmachen.
Kavier. Ach so! Sagen sie, mich interessiert, was sie eigentlich von der Bank hier halten.
Herr Bakowski. Nach der Kunst müssen sie andere fragen. Aber die Bank hier, die ist in Ordnung. Das ist ein Denkort, (lacht) da fehlt nur die Dunstabzugshaube.
Kavier. Also ihnen erscheint das auch nicht als Kunst?
Herr Bakowski. Sollen wir ein Schild aufstellen: Das ist keine Bank!? Wieso interessieren sie sich eigentlich so dafür?
Kavier. Ich bin Künstler. Allerdings stelle ich keine Parkbänke auf. Ein richtiges, meisterliches Landschaftsbild hat sicherlich mehr Freunde und ist (verzieht abfällig das Gesicht) außerdem wertvoller als so eine Parkbank, wie sie überall herumsteht. (zynisch) Es ist nicht jedem gegeben, Bänke aufzustellen.
Herr Bakowski. ...aber Parkbänke zu malen.
Kavier. Ich kann sogar noch mehr als nur Bänke malen. Das heißt, ich kann, was nicht viele können. Warum soll ich was anderes machen?
Herr Bakowski. Das ist ja schön für sie. Und das wenige, das können sich auch nur wenige leisten. Stimmts?
Kavier. Nicht unbedingt, nur die bedeutungsvollen Arbeiten.
Herr Bakowski. Ach! Meine Arbeit ist wohl nicht wichtig? Sie glauben wohl noch, dass sie mit ihrer Bildung ihre sozialen Vorurteile rechtfertigen können. Da machen wir doch gleich mal die Dunstabzugshaube an. (betätigt in der Luft einen Schalter)
Kavier. Das habe ich nicht gemeint. Ich rate ihnen nur, wenn sie wieder so eine Kunstaktion machen, kaufen sie gute und richtige Kunst. Die wird mit der Zeit nämlich wertvoller.
Herr Bakowski. Wer beurteilt denn die Kunst, ob die gut ist und wertvoller wird, wir Moritzburger doch nicht, weil die sogenannte gute Kunst ja nicht für uns gemacht ist. Die ist doch nur für Leute, die sich den ganzen Tag mit diesen Dingen beschäftigen können. Ich merke schon, heutzutage muss man studiert haben, um die Kunst zu verstehen. Wir haben hier auch noch andere Sorgen. Normaler Weise interessiert das die Künstler nicht und uns interessiert nicht, was die Künstler machen.
Kavier. Das habe ich heute schon mal gehört.
Herr Bakowski. Bei der Bank ist das was anderes gewesen. Die haben wir mit den Künstlern zusammen aufgestellt. Übrigens (nicht ohne Stolz) die kleine Heckenrose hier habe ich spendiert.
Kavier. Die haben sie ja prima angestellt und sie habens nicht mal gemerkt.
Herr Bakowski. Als die mir von ihren Ideen erzählt haben, (zeigt auf die Bank) dachte ich erst, die sind nicht ganz nüchtern. Abends in der Kneipe habe ich nämlich auch so meine Ideen und die waren den Damen und Herren gar nicht so fremd. Das nächstemal mach ich gleich bei denen mit. Kunst braucht ein Adressaten- sie haben es doch schwarz auf weiss in der Hand.
Kavier. (zieht die Visitenkarte aus der Tasche, zeigt sie Herrn Bakowski) Einen Adressaten habe ich schon.
Herr Bakowski. (nach kurzem Blick auf die Visitenkarte) Letztens habe ich hier so ein Plakat aufgehängt. Darauf stand: Die Kunst ist der Resonanzraum der Erkenntnis. (lacht) Denken sie lieber noch mal drüber nach. Einen schönen Tag noch.
Kavier.
(schaut ziemlich unbewiesen und erwidert abwesend) Ihnen auch.
Herr Bakowski. (zeigt auf den Flügel am Boden) Ach so! Was wird denn mit dem Flügel hier, ist das ihrer?
Kavier. Nein, der ist vom Himmel gefallen.
Herr Bakowski. Also wenn sie damit nichts anfangen können, dann würde ich ihn gern mitnehmen- vielleicht bringt das Teil Glück.
 
Herr Bakowski mit dem Flügel ab, zurück bleibt Kavier
 
Kavier. (zieht ein Handy und nimmt die Visitenkarte zur Hand) Guten Tag hier ist Kavier mit wem spreche ich...Herr Pfarrer? Grüss Gott, sie hätte ich nicht vermutet...um einen Altar geht es?..das ist mir so noch nicht vorgekommen!..selbstverständlich...mit Leidenschaft für den Glauben...eine prächtige Erregung öffentlichen Mitleids...versichere ich ihnen...Grüss Gott!
 
Kavier eilt davon
 
K1 und K2 erscheinen, K2 fehlt ein Flügel, sie will hinter Kavier hereilen
 
K1. Lass ihn ziehen. Endlich können wir in Ruhe hier verweilen und zurückblicken.
K2. Du willst sein Schutzengel sein und redest zu mir wie der Gehörnte?
K1. Hast du denn nicht bemerkt, dass er schneller redet als, wir noch laufen können? Er trifft seine Abmachungen mit den Selbstgefälligen, die nur darauf warten, weil ihnen sonst langweilig wird. Alle tun verständnisvoll, halten sich für klug, wenn sie es durchschaut haben und sind ihm am Ende noch dankbar. Der ruft gerade Journalisten an und erzählt denen was von Versöhnungskultur, der Überwindung von Distanzen, irgend so was. Das alles ist gedruckt bevor seine Leinwand trocken ist.
K2. In einem hast du Recht. Wenn die Bilder von unserem Chef jetzt da unten gemalt werden, können wir baden gehen.
K1. Eine gute Idee, es ist schon so lange her.
 
K1 und K2 lehnen ihre Flügel an die Bank und laufen hinunter zum See
 
Vorhang