Wolfram Höhne, Andreas Paeslack (Kooperative Kunstpraxis)
Kleine Geschichte der Kunst am Bau
aus: Ideenkatalog - Zur Sache Kunst am Bau (eine Broschüre finanziert von einem Kunst am Bau - Entwurfshonorar)

Titelblatt der Broschüre "Ideenkatalog"
Titelfoto zu „Ideenkatalog”, eine Broschüre von W. Höhne und A. Paeslack (vollständig unter www.kunst-basis.org)
 
Erstmalig trat der Begriff „Kunst am Bau“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Erscheinung. Der 1. Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise hatten die Verdienstmöglichkeiten auf dem Kunstmarkt stark eingeschränkt. Das Wegbrechen von Kunstsammlern und Mäzenen löste damals in der Künstlerschaft die Forderung nach einer öffentlichen Finanzierung künstlerischer Arbeit aus. Die Künstlerverbände beriefen sich auf die neue Verfassung der Weimarer Republik, in der neben der Freiheit der Künste auch die Pflege des Kunstschaffens durch den Staat gesetzlich verankert war. Das Modell des Gesamtkunstwerks spielte in der damaligen Diskussion eine wichtige Rolle. Der von Gottfried Semper geprägte Begriff sah die vereinte Tätigkeit aller künstlerischen und kunsthandwerklichen Gewerke bei der Errichtung eines Bauwerkes vor. Von der architektonischen Form bis hin zum Tafelsilber der Bewohner sollte der gesamte Inhalt der Gebäudehülle von ästhetisch geschultem Personal hervorgebracht werden.
Die Forderung der Künstlerschaft wurde mit der Verzögerung von einigen Jahren eingelöst, allerdings durch die nationalsozialistische Kulturpolitik. Die Verarmung der Kunstschaffenden ausnutzend, brachte Joseph Goebbels’ Reichskulturkammer bereits 1934 die lang ersehnte Verankerung einer Kunst am Bau - -Förderung im Gesetzestext heraus und stellte sie als soziales und kulturpolitisches Engagement des Regimes öffentlich dar. Das Kunst am Bau - Gesetz diente dem Reichpropagandaminister auch in seinem Feldzug gegen die Moderne: Die Sachlichkeit des neuen Bauens mit ihren kahlen Fluren und ornamentlosen Fassaden ließen für die kunstgewandte deutsche Arbeiterschaft kaum Betätigungsmöglichkeiten zu, diesen ‚Makel‘ behob die nationalsozialistische Ästhetik fortan. Mit dem Ziel das „Volksganze mitzuformen“ begann in den Folgejahren ein baukünstlerischer Auftragsboom. Eine groß angelegte Show im öffentlichen Raum bestätigte die herrschende Ideologie auf emotionaler Ebene. Adler, Fahnen und Standarten zählten zu den angesagtesten Bildmotiven jener Staatskunst. Gebäude, wie das „Deutsche Haus“ auf der Weltausstellung in Paris 1937, zeigten, wie eng sich Kunst und Architektur von oben her zusammenstricken lassen.
Bereits fünf Jahre nach Kriegsende beantragte die Bayernpartei die Übernahme des Gesetzestextes von 1934 in die bundesdeutsche Gesetzgebung. Seither sollen 1 Prozent der Bauauftragssumme öffentlicher Gebäude für Werke bildender Künstler ausgegeben werden. Mit der Zustimmung aller Parteien verabschiedete der Bundestag wiederum eine Kunst am Bau - Regelung. Die Begründung dafür lieferte neuerlich eine größtenteils verarmte Künstlerschaft, die von nun an, ausgelöst durch staatliche Subvention, den Wiederaufbau durch die Manifestation neuer Werte begleitete. Die von Goebbels verdammte Moderne wird in Westdeutschland rehabilitiert und bestimmt bald darauf die Stilistik von Kunst am Bau - Projekten. Die gesetzliche Bindung der Kunst an den Bau hatte im westlichen Teil Deutschlands die Züge einer ganzheitlichen, ästhetischen Zielvorstellung verloren, während sie im Osten bis zur Wende als ideologisches Sprachrohr diente. Genau genommen besteht bis heute kein Grund, die hochbezahlten Kunstwerke zur Ausstattung öffentlicher Gebäude verwenden zu müssen. Selbst die Ausschreiber dieses Wettbewerbes (Anm. der Redaktion: Kunst am Bau-Wettbewerb für das Botanische Institut der Universität Leipzig, 2002) versenden an die Teilnehmer mehr als 6 qm Bauzeichnungen und eine viele Seiten währende Beschreibung des Gebäudes, die auch das Material der Fußleisten im Kellergeschoss nicht auslässt. Keine Informationen findet man dagegen zu den Trägern der Einrichtungen, etwaigen Problemfeldern oder späteren Nutzern.
So bringen die Kunst am Bau - Wettbewerbe vor allem formalästhetische Eingriffe mit zumeist dekorativem Charakter hervor. Die architektonische Situation wird bei derartigen Entwürfen zum alleinigen Bezugspunkt.
Nach wie vor betrachtet Kunst am Bau vorrangig die Bauhülle anstatt den inhaltlichen Aspekt des errichteten Gebäudes zu berücksichtigen. Dem entgegen steht die Geschichte der (westdeutschen) Kunst im öffentlichen Raum seit den sechziger Jahren. Eine Vielzahl von Künstlern arbeitete an dem Versuch, die Kunst in öffentliche Belange einzubinden. Der praktische Umgang mit der Kunst am Bau - Regelung beschränkt sich jedoch besonders in den neuen Bundesländern auf die Aufstellung traditioneller Genrekunst. Die Wettbewerbe werden als Verwaltungsakt gehandhabt. Alle Beteiligten meiden in der Regelung die Auseinandersetzung. Gute Chancen hat, was keinen stört. So kann es unter Umständen der Fall sein, dass es für den Nutzer abwaschbar, den Architekten unsichtbar und den Vertreter des Ministeriums abheftbar sein muss. Was dabei herauskommt ist weder künstlerisch noch gesellschaftlich zu vertreten und kann deshalb, so wie es derzeit an der Tagesordnung ist, eingespart werden.