Seit einem Jahr wächst in der Wüstenlandschaft
öffentlicher Kunstförderungsprogramme ein neuer Strohhalm. Dabei
handelt es sich um die „Richtlinie zur Förderung der Schuljugendarbeit“,
die künstlerische Arbeit mit Jugendlichen als förderungswürdig
ausweist. Welches Anliegen die Macher der Richtlinie damit verbinden, was
Künstler in Schulen tun können und wie man ein solches Projekt
organisiert, ist Thema dieses Beitrages.
Soviel gleich zu Anfang: Es ist verwunderlich, dass diese Richtlinie gelegentlich
als Kunstförderung bezeichnet wird. Auf den Bereich des Kläglichen
reduzierte Honorarsätze und eine komplizierte Beantragungsprozedur
wirken zunächst wenig ermunternd. Mit Hilfe einer ausreichenden Portion
Idealismus lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen trotzdem. Schließlich
geht es hier nicht um die künstlerische Veredlung prestigeträchtiger
öffentlicher Gebäude, wie im Falle von Kunst am Bau, sondern um
den Lebensraum Schule, der, wie alle nicht profitablen Bereiche der Gesellschaft,
der öffentlichen Hand überlassen bleibt. Der Abriss einstiger
Pionierpaläste und die Vereinnahmung elterlicher Freizeit durch berufliche
Bindungen überlassen die Jugend heute einer konsumorientierten Kulturindustrie.
Die Schöpfungen unserer trivialen Massenkultur spielen den Konkurrenzkampf
bereits im Kindesalter durch und sorgen für eine Verhärtung der
Institution Schule zu einem System der Ausgrenzung. Der Gesetzgeber reagiert
nun mit dem Ausbau von Schulen zur Ganztagsschule. Auch wenn die Frage bleibt,
ob damit nun den Unternehmen bei der Ausbeutung ihrer Mitarbeiter geholfen
werden soll, handelt es sich gleichermaßen um einen Versuch, die Freizeitlandschaft
für Kinder und Jugendliche zu verbessern.
Für die schulfreie Zeit des Tages sollen durch die Anwendung der Richtlinie
neue Angebote zur Freizeitgestaltung, fakultativen Bildung und sozialen
Arbeit für die Schüler entstehen. Dass die Macher der Richtlinie
die Kunst neben Computerspielerei und Sport unter der Kategorie „Freizeitgestaltung“
einsortiert haben, entspricht zwar leider dem heutigen Stellenwert von Kunst,
aber längst nicht deren Potentialen. Weitaus mehr als die Vermittlung
von Technikbegriffen in Kreativkursen könnten Künstler hier leisten.
Der Wortlaut der Richtlinie lässt eine enge Ausrichtung auf die Organisation
von Nachmittagskursen vermuten. Dagegen erklärt Frau Haschke von der
Jenaer Arbeitsstelle, dass ebenso problemorientierte und prozesshafte Arbeitsformen
förderungswürdig sind, die sich beispielsweise der Gestaltung
des Schulraumes in Form einer Zusammenarbeit von Künstlern, Schülern
und Lehrpersonal widmen.
Das Projekt „Eine Intervention in der Schule“ der österreichischen
Künstlergruppe Wochenklausur kann als ein derartiger Versuch angesehen
werden. Eine ebenso interessante Aufgabe für Künstler wäre
die Mitarbeit an der Entwicklung eines Schulprofils, wie dies auch die Förderrichtlinie
anstrebt. Ein Schulprofil bedeutet die Etablierung einer außerschulischen
Aktivität, der sich eine Schule im Besonderen widmet. Dies kann das
Engagement eines Sportvereins genauso, wie der Bau einer Sternwarte auf
dem Schuldach oder die Einrichtung einer Lithografiewerkstatt sein. Dafür
bedarf es eines gemeinsamen Ziels, das reizvoll genug ist, um Schüler,
Lehrer und interessierte Partner vor Ort tatkräftig zu verbinden.
Nach Auskunft der verantwortlichen Arbeitsstelle in Jena haben bereits 413
Schulen in Thüringen eine Förderung der Schuljugendarbeit erhalten.
Gelder können nur über außerschulische Träger (Vereine,
Firmen) beantragt werden, die bereit sind, 20% der Fördersumme als
Eigenleistung zu erbringen. Im Kostenplan sind Material-, Reise- und Honorarkosten
(maximal 15 Euro/Stunde) für den Mindestzeitraum eines Schulhalbjahres
aufzuführen. Auch die kostenintensive Förderung zur Einrichtung
von Arbeitsräumen, wie Werkstätten und Labors kann über die
Förderrichtlinie erfolgen.* Der Projektträger reicht dann gemeinsam
mit der Schule einen Förderantrag beim Kultusministerium ein (bis zum
31.5.2004 für das 1. Schulhalbjahr 2004/2005). Nach Auskunft der Arbeitsstelle
in Jena sollen Interessenten die komplizierten Beantragungsprozeduren weitgehend
von den Schulen abgenommen werden. Praktiker auf diesem Gebiet sprechen
jedoch eher von einem zögerlichen bis fehlendem Engagement der Schulen.
*) Wer sein Maximalbudget berechnen
will kann dies folgendermaßen tun:
1. Man erfragt den Gesamtbetrag der zur Verfügung stehenden Mittel
im Landeshaushalt (2003 waren es 3.7 Mio. Euro und 2004 sollen es 5 Mio.
Euro sein) und die Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen laut Schülerstatistik
des Vorjahres.
2. Der Anteil der Schüler der Partnerschule an der Gesamtzahl der Schüler
Thüringens entspricht dem Anteil des Landeshaushaltes, den eine Schule
zur Förderung des Projekts beantragen kann. |