Wolfram Höhne
Künstler an die Tafeln
Über die neue Förderrichtlinie für Projekte der Schuljugendarbeit
Kunst macht einsam
Ines Knackstedt, Andreas Paeslack aus „Was ist Kunst?“, Unikate in Serie, Illustrierte, Tipp-Ex, 2003
Seit einem Jahr wächst in der Wüstenlandschaft öffentlicher Kunstförderungsprogramme ein neuer Strohhalm. Dabei handelt es sich um die „Richtlinie zur Förderung der Schuljugendarbeit“, die künstlerische Arbeit mit Jugendlichen als förderungswürdig ausweist. Welches Anliegen die Macher der Richtlinie damit verbinden, was Künstler in Schulen tun können und wie man ein solches Projekt organisiert, ist Thema dieses Beitrages.
Soviel gleich zu Anfang: Es ist verwunderlich, dass diese Richtlinie gelegentlich als Kunstförderung bezeichnet wird. Auf den Bereich des Kläglichen reduzierte Honorarsätze und eine komplizierte Beantragungsprozedur wirken zunächst wenig ermunternd. Mit Hilfe einer ausreichenden Portion Idealismus lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen trotzdem. Schließlich geht es hier nicht um die künstlerische Veredlung prestigeträchtiger öffentlicher Gebäude, wie im Falle von Kunst am Bau, sondern um den Lebensraum Schule, der, wie alle nicht profitablen Bereiche der Gesellschaft, der öffentlichen Hand überlassen bleibt. Der Abriss einstiger Pionierpaläste und die Vereinnahmung elterlicher Freizeit durch berufliche Bindungen überlassen die Jugend heute einer konsumorientierten Kulturindustrie. Die Schöpfungen unserer trivialen Massenkultur spielen den Konkurrenzkampf bereits im Kindesalter durch und sorgen für eine Verhärtung der Institution Schule zu einem System der Ausgrenzung. Der Gesetzgeber reagiert nun mit dem Ausbau von Schulen zur Ganztagsschule. Auch wenn die Frage bleibt, ob damit nun den Unternehmen bei der Ausbeutung ihrer Mitarbeiter geholfen werden soll, handelt es sich gleichermaßen um einen Versuch, die Freizeitlandschaft für Kinder und Jugendliche zu verbessern.
Für die schulfreie Zeit des Tages sollen durch die Anwendung der Richtlinie neue Angebote zur Freizeitgestaltung, fakultativen Bildung und sozialen Arbeit für die Schüler entstehen. Dass die Macher der Richtlinie die Kunst neben Computerspielerei und Sport unter der Kategorie „Freizeitgestaltung“ einsortiert haben, entspricht zwar leider dem heutigen Stellenwert von Kunst, aber längst nicht deren Potentialen. Weitaus mehr als die Vermittlung von Technikbegriffen in Kreativkursen könnten Künstler hier leisten.
Der Wortlaut der Richtlinie lässt eine enge Ausrichtung auf die Organisation von Nachmittagskursen vermuten. Dagegen erklärt Frau Haschke von der Jenaer Arbeitsstelle, dass ebenso problemorientierte und prozesshafte Arbeitsformen förderungswürdig sind, die sich beispielsweise der Gestaltung des Schulraumes in Form einer Zusammenarbeit von Künstlern, Schülern und Lehrpersonal widmen.
Das Projekt „Eine Intervention in der Schule“ der österreichischen Künstlergruppe Wochenklausur kann als ein derartiger Versuch angesehen werden. Eine ebenso interessante Aufgabe für Künstler wäre die Mitarbeit an der Entwicklung eines Schulprofils, wie dies auch die Förderrichtlinie anstrebt. Ein Schulprofil bedeutet die Etablierung einer außerschulischen Aktivität, der sich eine Schule im Besonderen widmet. Dies kann das Engagement eines Sportvereins genauso, wie der Bau einer Sternwarte auf dem Schuldach oder die Einrichtung einer Lithografiewerkstatt sein. Dafür bedarf es eines gemeinsamen Ziels, das reizvoll genug ist, um Schüler, Lehrer und interessierte Partner vor Ort tatkräftig zu verbinden.
Nach Auskunft der verantwortlichen Arbeitsstelle in Jena haben bereits 413 Schulen in Thüringen eine Förderung der Schuljugendarbeit erhalten. Gelder können nur über außerschulische Träger (Vereine, Firmen) beantragt werden, die bereit sind, 20% der Fördersumme als Eigenleistung zu erbringen. Im Kostenplan sind Material-, Reise- und Honorarkosten (maximal 15 Euro/Stunde) für den Mindestzeitraum eines Schulhalbjahres aufzuführen. Auch die kostenintensive Förderung zur Einrichtung von Arbeitsräumen, wie Werkstätten und Labors kann über die Förderrichtlinie erfolgen.* Der Projektträger reicht dann gemeinsam mit der Schule einen Förderantrag beim Kultusministerium ein (bis zum 31.5.2004 für das 1. Schulhalbjahr 2004/2005). Nach Auskunft der Arbeitsstelle in Jena sollen Interessenten die komplizierten Beantragungsprozeduren weitgehend von den Schulen abgenommen werden. Praktiker auf diesem Gebiet sprechen jedoch eher von einem zögerlichen bis fehlendem Engagement der Schulen.
 
*) Wer sein Maximalbudget berechnen will kann dies folgendermaßen tun:
1. Man erfragt den Gesamtbetrag der zur Verfügung stehenden Mittel im Landeshaushalt (2003 waren es 3.7 Mio. Euro und 2004 sollen es 5 Mio. Euro sein) und die Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen laut Schülerstatistik des Vorjahres.
2. Der Anteil der Schüler der Partnerschule an der Gesamtzahl der Schüler Thüringens entspricht dem Anteil des Landeshaushaltes, den eine Schule zur Förderung des Projekts beantragen kann.